Kaufpreisprämie pusht Elektroautos

Kaufprämie pusht Elektroautos – aber was bremst den nachhaltigen Boom?

  • Der Anteil Elektroautos unter den Neuzulassungen erreicht Rekordhoch dank immer größerem Modellangebot, höheren Reichweiten, mehr öffentlichen Ladepunkten + erhöhter Umweltprämie
  • Der Hauptgrund gegen Elektroautos für private Autofahrer, die einen Verbrenner anschaffen wollen, ist allerdings nicht der (Anschaffungs-) Preis, sondern die fehlende Möglichkeit, zuhause zu laden
  • Keine der im Bundestag vertretenen Parteien thematisiert im Wahlprogramm für die Bundestags­wahlen Förderungen für Heim-/ heimnahes Laden – Umweltprämie droht mittelfristig zu verpuffen

Mehr und mehr Autofahrer tauschen ihren Verbrenner gegen ein Elektroauto: Während der Elektroanteil (batterie­elektrische Autos und Plug-in-Hybride) an den Pkw-Neu­zulassungen noch im vierten Quartal 2019 bei nur 3% lag, stieg die Elektro­quote im zweiten Quartal 2021 bereits auf 22%. Gründe hierfür sind vielfältig: Neben dem wachsenden Modellangebot und  technologischen Fortschritten vor allem bei Reichweiten von Elektroautos steigt durch öffentliche Diskussionen rund um Umwelt- und Klimaschutz das Bewusstsein für alternative Antriebs­technologien bei Autos. Nicht zuletzt zeigen staatliche Förderprogramme wie die Kaufprämie für Elektroautos, reduzierte Steuersätze für die private Nutzung von Firmenwagen und der Ausbau von Lade­infrastruktur bspw. an Fernstraßen Wirkung.

 

Der Trend zu Elektroautos wird hierzulande weiter gehen und an Dynamik gewinnen, wie die zum dritten Mal durchgeführte repräsentative Studie von mm customer strategy zeigt: Mit 51% spricht sich erstmalig die Mehrheit privater Neu­wagen­interessenten für ein reines Elektroauto (21%) oder einen Plug-In Hybriden (30%) als bevorzugte Antriebsart aus.

 

Der Teil der Bevölkerung, der sich beim nächsten Neuwagenkauf weiterhin für einen klassischen Benziner oder Diesel entscheidet, lässt sich durch Kaufprämien jedoch kaum von Elektro­autos überzeugen. Die fehlende Möglichkeit, zuhause oder in unmittelbarer Nähe des eigenen Heims laden zu können, ist für diese Käufergruppe der wichtigste Grund gegen E-Autos. Der Ausbau der privaten und öffentlichen heimnahen Ladeinfrastruktur ist insofern ein entscheidender Hebel für den breiten Umstieg auf Elektroautos.

Die Bundesregierung fördert E-Autos mit der verdoppelten Umweltprämie…

Aktuell setzt die staatliche Förderung primär an den Neu­wagen­preisen an. Der staatliche Anteil der bestehenden „Umweltprämie“ wurde sogar verdoppelt: Ein reines Elektroauto mit einem Nettolisten­preis unter 40.000€ wird seit Juli 2020 inkl. Herstelleranteil mit 9.000€ statt vorher 6.000€ netto gefördert und reduziert somit den Kaufpreis erheblich.

…sowie die Installation privater Heimlade­stationen…

Das Bundeswirtschafts­ministerium geht im Masterplan Lade­infrastruktur vom November 2019 davon aus, dass bis zu 85% der Ladevorgänge auf privatem Grund stattfinden und somit das ausreichende Vorhandensein von (privater) Ladeinfrastruktur mitentscheidend für einen E-Autokauf ist.[1]

 

Entsprechend fördert die Bundesregierung seit Herbst 2020 über die KfW-Bank den Kauf und die Installation von privaten Heimladestationen („Wallboxen“) an Wohngebäuden mit 900€ (inkl. MwSt.) pro Ladepunkt.

 

Darüber hinaus erleichtert das im Dezember 2020 in Kraft getretene Wohnungs­eigentums­modernisierungs­gesetz[2] für Mieter und Wohnungs­eigentümer die Installation privater Ladepunkte auf Gemeinschafts­stellplätzen.[3]

 

Trotz Wallbox-Förderung und besserer recht­licher Rahmenbedingungen besitzen laut der Elektroautostudie von mm customer strategy nur rund 8% der Elektroauto-Interessierten bereits eine eigene Wallbox. Dies liegt jedoch nicht am fehlenden Interesse – die Umsetzbarkeit und der damit verbundene Aufwand der Installation privater Ladepunkte hängt sehr stark von der jeweiligen Wohn- und Parksituation ab.

…die Förderung bevorzugt aber einseitig Eigentümer von Einzelstellplätzen

Etwas über die Hälfte der E-Auto-Neuwagen­interessierten verfügt über einen privaten Einzelstellplatz direkt am Haus. In solch einem Fall ist mit Kosten für Kauf und Installation einer Wallbox von durchschnittlich 1.800€ inkl. MwSt. zu rechnen, der private Eigenanteil abzüglich der KfW-Förderung beträgt dann ca. 900€.

 

Deutlich aufwendiger ist es für die 29% der E-Auto-Interessierten mit einem Gemeinschafts­parkplatz. In einer Tiefgarage eines Mehr­familien­hauses oder auf einem Gemein­schafts­garagenhof kann die Installation des ersten Ladepunkts je nach Aufwand über 7.000 Euro kosten. Weitere Ladepunkte sind mit circa 2.000€ pro Ladepunkt zwar deutlich günstiger, der durchschnittliche Eigenanteil liegt dennoch selbst bei gleichzeitiger Installation von 10 Ladepunkten und Umlage der Gesamtkosten auf alle Interessenten in der Größenordnung von ca. 1.500€ (inkl. MwSt.) pro Ladepunkt.[4]

 

Die Studie von mm customer strategy zeigt jedoch, dass nur ungefähr jeder vierte Nutzer von Einzelstellplätzen bereit wäre, den Eigenanteil von ca. Ø900€ zu zahlen; bei Gemeinschaftsstellplätzen ist nur knapp jeder zehnte Befragte bereit, die mindestens erforderlichen 1.500€ Eigenanteil aufzubringen. Der Anteil der Zahlungswilligen für die genannten Eigenanteile unterscheidet sich zwischen Mietern und Eigentümern kaum, allerdings sind Mieter doppelt benachteiligt: Sie verfügen im Durchschnitt über ein deutlich geringeres Haushaltsnettoeinkommen als Eigentümer und ihre Investition wertet die Immobilie des Vermieters auf, da ein wesentlicher Kostentreiber die Basisinstallation von Zähler und Stromzuleitung sind, die beim Wohnungswechsel im Objekt verbleibt.

 

Die restlichen 17% der E-Auto-Interessenten haben keinen eigenen Parkplatz, sondern stellen ihr Auto an der Straße ab. Diese „Laternenparker“ werden zur Zeit von den Förderprogrammen überhaupt nicht adressiert: Es ist aktuell eher Zufall, wenn in fußläufiger Umgebung des eigenen Heims ein öffentlicher E-Auto-Parkplatz mit Ladepunkt eingerichtet ist. Da die Beantragung solcher Parkplätze durch Privatpersonen zurzeit nicht vorgesehen ist, hat dieser Teil der Bevölkerung kaum die Möglichkeit, heimnah zu laden bzw. an dieser Situation selbst etwas zu verändern.

 

Dass „Laternenladen“ pragmatisch umsetzbar ist, zeigen Pilotprojekte wie z.B. in Langenhagen, wo mit einer Investition von ca. 2.500€ netto pro Ladepunkt vorhandene Laternen zu Ladepunkten aufgerüstet wurden.[5]

 

Zusammenfassend bevorzugt die aktuelle KfW-Förderprämie für die Installation privater Wallboxen daher zu einseitig Eigentümer privater Einzelstellplätze und vernachlässigt den Teil der E-Auto-Interessenten, der zur Miete wohnt und/oder auf Gemeinschaftsparkplätzen parkt bzw. gar keinen eigenen Stellplatz hat.

Öffentliche heimnahe sowie private Ladepunkte auf Gemeinschaftsstellplätzen kritisch für breiten Durchbruch von E-Autos

Dass die Förderung privater und heimnaher öffentlicher Ladepunkte einen großen Schub hin zu reinen Elektroautos auslösen kann, zeigt die Elektroauto-Studie von mm customer strategy klar auf: Gäbe es für Laternenparker einen garantierten E-Auto-Parkplatz im Umkreis von 200m des eigenen Zuhauses und würden Kauf und Installation eines privaten Ladepunkts unabhängig von der Stellplatzsituation vollständig gefördert, würden sich 31% (statt aktuell 21%) der privaten Neuwagen­interessenten für ein reines Elektroauto entscheiden – ein Zuwachs von fast +50%.

 

Hierbei gibt es kaum Unterschiede nach parteipolitischer Präferenz: Der Trigger des privaten / heimnahen Ladens für reine Elektroautos ist fast gleich groß unter den Wählern aller Parteien, die aktuell realistische Chancen auf eine künftige Regierungs­beteiligung haben. Die Wirkung solch eines breiten Förderszenarios ist nur bei Sympathisanten von AfD und sonstigen Parteien sowie bei Nichtwählern / Unentschlossenen deutlich geringer.

 

Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass privates und v.a. heimnahes öffentliches Laden in keinem Wahlprogramm der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien explizit thematisiert wird und auch in der öffentlichen Diskussion rund um die Förderung von Elektroautos kaum zur Sprache kommt.

 

Zudem könnten die bereitgestellten Mittel bestehender Förderprogramme effektiver angewendet werden: Die durchschnittlichen Investitionskosten für private und öffentliche heimnahe Ladepunkte liegen in der Größenordnung von ~2.800€ inkl. MwSt. (~2.350€ exkl. MwSt.) und somit deutlich unter der um bis zu 3.000€ (netto) erhöhten staatlichen Förderprämie für neue E-Autos. Die differenzierte Förderung öffentlicher heimnaher Ladepunkte sowie privater Ladepunkte für Einzel- und Gemeinschafts­stell­plätze wäre nicht nur eine effektive, diskrimi­nierungsfreie, nachfrage­­­orientierte und nach­haltige Förderung. Durch Investitionen in die Infrastruktur sänke zudem die Einstiegs­hürde in die Elektro­mobilität auch für interessierte Nachbarn, was wiederum die Nachfrage nach reinen E-Autos noch weiter beschleunigen würde.

Verständnis von Nachfragetreibern entscheidend für effektive Förderstrategie

Dr. Markus Müller-Martini, Managing Partner von mm customer strategy, kommentiert: „Niemand würde ein Smartphone kaufen, das man nicht zu Hause aufladen könnte. Analog droht die Umweltprämie mittelfristig zu verpuffen: Ohne die Möglichkeit, zu Hause bzw. in unmittelbarer Nähe vom eigenen Zuhause laden zu können, sind E-Autos so wenig alltagstauglich, dass dies durch eine hohe Kaufprämie kaum ausgeglichen werden kann. Der eigentliche Hebel seitens der Politik, um mehr Elektroautos auf die Straße zu bringen, ist daher die Schaffung rechtlicher Rahmen­bedingungen und die Förderung privater und heimnaher öffentlicher Ladepunkte. Besondere Beachtung muss dabei neben Laternenparkern der Situation von Mietern geschenkt werden. Diese Aspekte werden mittelfristig immer wichtiger, um Elektroautos auch als Gebrauchtwagen für weitere Teile der Bevölkerung alltagstauglich zu machen.“

Über die Studie

Die repräsentative Online-Studie wurde im Juli 2021 in Deutschland mit über 1.000 Privatpersonen, die in den nächsten 5 Jahren einen Neuwagen anschaffen wollen, von mm customer strategy in Kooperation mit Dynata und ErgoData durchgeführt.

Quellen
[1] Die Bundesregierung, „Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung. Ziele und Maßnahmen für den Ladeinfrastrukturaufbau bis 2030“, 18.11.2019
[2] Bundesgesetzblatt, Teil 1, „Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG)“, 16.20.2020
[3] Seitdem dürfen Vermieter*innen bzw. Eigentümer(gemeinschaften) kein Veto mehr gegen die Installation privater Ladepunkte einlegen, sondern haben lediglich ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausführung. Die Bundesregierung, „Ausbau privater Ladeinfrastruktur vorantreiben„, 24.11.2020
[4] Annahme: Durchschnittskosten pro Ladepunkt nach KfW-Förderung in Höhe von 900€ pro Ladepunkt bei einem leicht installierbaren ersten Ladepunkt (angenommener Eigenanteil 4.500€ inkl. MwSt. nach Förderung) + 9 weitere Ladepunkte mit einem angenommenen Eigenanteil von 1.200€ = Ø1.530€ inkl. MwSt. / Ladepunkt
[5] Hannover.de, „Strom aus der Laterne: neue E-Ladesäulen in Langenhagen“, 27.02.2020

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Dr. Markus Müller-Martini
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Über mm customer strategy

Die inhabergeführte, global tätige Unternehmens- und Marktforschungsberatung mm customer strategy mit Standorten in München und Bremen sowie einer Repräsentanz in Peking unterstützt internationale Unternehmen und Konzerne bei der Erarbeitung von Unternehmens- und Marketingstrategien. mm customer strategy verknüpft Strategie-, Empirie- und Analytik-Kompetenz zu einem differenzierenden, da empirisch fundierten Beratungsansatz. Schwerpunktthemen sind die Konzipierung von segmentspezifischer Marketing-, Marken-/ Positionierungs-, Pricing-, Produkt- und Vertriebs-Strategien sowie Corporate Reputation und NPS-Analysen auf Basis quantitativer und qualitativer Marktforschungsstudien.  mm customer strategy ist korporatives Mitglied im Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen BDU e.V. und im BVM Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V.

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